Dienstag, 7. April 2009

G20 is not going Chinese. Eine kleine Nachlese

Fundstücke IV enthielt bereits den Hinweis, dass China mehr Kooperation im Internationalen Währungsfonds wünscht und gerne dessen Sonderziehungsrechte als Leitwährung etabliert sähe. Leider wurde dies im Westen vor allem als Angriff auf den US-Dollar interpretiert. Nach dem Gipfel in London konnten die Chinesen ihren Anteil an Kapital des IWF um 40 Milliarden US-Dollar substanziell erhöhen wie Xinhua mit einem gewissen Stolz vermerkt. Diese Tatsache wurde im Westen kaum beachtet - wohl weil die Einzahlung die chinesischen Stimmanteile lediglich von rund 3,8 auf knapp 4 Prozent erhöht. (Zum Vergleich: Die USA halten 17 Prozent.) Dass der chinesische Vorschlag wirtschaftspolitisch klug ist, scheint sich bisher nur in der Fachwelt herumzusprechen.

Die Stiglitz Komission für Finanzreformen etwa dachte in einem kürzlich erschienen Papier darüber nach, dass "(...) a new Global Reserve System —what may be viewed as a greatly expanded SDR, with regular or cyclically adjusted emissions calibrated to the size of reserve accumulations— could contribute to global stability, economic strength, and global equity". Doch die SZR wurden lediglich um 250 Milliarden US-Dollar aufgestockt, was sich angesichts der kommenden Anforderungen als zu wenig erweisen könnte.

Neben anderen Faktoren wie Konditionalität und Stimmrechtsverteilung veranlasst genau diese Zögerlichkeit den angesehenen Ökonomen Dani Rodrik, zu bezweifeln, ob der IWF denn zukünftig noch in letzter Instanz als Kreditgeber (lender of last resort) auftreten könne. Denn genau dies hält Rodrik für eine der Grundvoraussetzungen, die erfüllt sein müssten, um eine internationale Regulierung der Finanzmärkte zu ermöglichen. Da dieser Fall Rodriks Meinung nach jedoch nicht eintreten wird, plädiert der Havard-Professor im Economist dafür, dass sich die Staaten auf nationaler Ebene um ihre finanzpolitischen Hausaufgaben bemühen.

Und nun entbrennt um die Aufstockung der IWF-Mittel ein Streit, der die Interessenlagen der Beteiligten ziemlich genau widerspiegelt. So liest man etwa im Handelsblatt:
"Um Forderungen der Amerikaner und der Briten nach neuen Konjunkturprogrammen nicht nachgeben zu müssen, sei Deutschland gezwungen gewesen, der Verlagerung der angestrebten globalen Nachfragestimulierung auf die multilaterale Schiene zuzustimmen, verlautet aus Berliner Regierungskreisen."
Einen guten Überblick über die Dissonanzen bietet Reuters. Aus dem oben zitierten Handelsblatt-Artikel geht allerdings auch hervor, dass den beschlossenen Erhöhungen die Taten erst noch folgen müssen:
Wenn die Gouverneure des IWF zu 85 Prozent der Stimmen der SZR-Erhöhung zustimmen, kann sie wirksam werden. (...) In den USA ist die letzte Zuteilung noch nicht durch den Kongress gegangen. Sie war 1998 genehmigt worden, damit neue IWF-Mitglieder, vor allem aus den Transformationsländern, mit SZR ausgestattet werden könnten. In den USA soll jetzt beides zusammen ratifiziert werden. Die noch ausstehende "Gerechtigkeitszuteilung" von 1998 beläuft sich auf rund 30 Mrd. Dollar, so dass die SZR insgesamt um 280 Mrd. Dollar erhöht würden.
Die USA wird ihre Verpflichtungen jetzt sicher erfüllen. Vom Kooperationsvorschlag der Chinesen wird dennoch wenig übrig bleiben: Die Aufstockung der SZR dient den angesächsischen Ländern lediglich zur weiteren Ausdehnung der weltweiten Geldmenge. Von einer echten internationalen Kooperation in der Finanzpolitik ist die Welt heute vielleicht weiter entfernt als jemals zuvor.

Daraus folgt: Bundeskanzlerin Angela Merkel wird ihre diesbezüglichen Wahlkampf-Phantastereien wieder in der Mottenkiste deponieren müssen, wenn die Union auch in der nächsten Legislaturperiode wenigstens den Anschein wahren will, wirtschafts- und finanzpolitisch kompetent zu sein. Denn irgendwann wird auch dem Letzten klar werden, dass die Bundesregierung die nötigen und möglichen Schritte zur Regulierung der Finanzmärkte derzeit nicht nur unterlässt, sondern die Krise durch ihre bisherige Deregulierungspolitik (die freilich schon in den rot-grünen Zeiten begann) noch befördert hat. Seine Hausaufgaben kann und muss man immer machen - erst recht, wenn eine internationale Koordination misslingt.

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