Dienstag, 20. Januar 2009

Berechtigter Pessimismus

"Köhlers schöne, neue Welt ist Fiktion", kritisiert Martin Ling im Neuen Deutschland den Auftritt von Bundespräsident Köhler vor dem Diplomatischen Korps. Dort hatte Köhler die Finanz- und Wirtschaftskrise als Chance dargestellt, »weil sie das Bewusstsein dafür schärft, in welch großem Maße die Völker aufeinander angewiesen sind und wie wichtig deshalb gemeinsames Handeln ist« wie Ling den Bundespräsidenten zitiert.

Zu Recht kontert Ling:
Man muss wohl ein Visionär wie Köhler sein, um das erkennen zu können. Ab dieser Woche werden in der EU wieder Exporterstattungen für Butter, Käse sowie Milchpulver gezahlt (...). Dass die EU-Dumpingexporte im Süden in der Vergangenheit hunderttausende Kleinbauern mitsamt ihren Familien aus der Produktion und in die Armut gedrängt haben, interessiert da so wenig wie dass die künftigen Dumpingexporte eben genau das wieder bewirken werden.
Und es steht zu befürchten, dass selbst Lings skeptisches Fazit auf absehbare Zeit noch optimistisch wirken wird:
Die Interessen der Ärmsten der Armen werden auch in der künftigen Weltwirtschaftsordnung unter den Tisch fallen. Mehr als eine Erweiterung des exklusiven Staatenklubs G8 um wirtschaftlich bedeutende Länder wie China ist nicht in Sicht.
Es ist in Gegenteil eine zunehmende Abkapselung der Industrieländer zu befürchten, wenn sich deren Bewohner und Eliten weiterhin von ihren Ängsten leiten lassen, statt die nötigen Veränderungen (z.B. Regulierung des Kasino-Kapitalismus, konsequente Umstellung auf erneuerbare Energien) in Angriff zu nehmen. Die bisherigen Reaktionen auf die Finanzkrise verlaufen zudem restaurativ - nach dem bekannten Muster, Verluste zu sozialisieren und Gewinne zu privatisieren. Das lässt Schlimmes befürchten.

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